Geschichte der Cessna C170

von Patrick Kisel

Nach dem 2. Weltkrieg ging man in der Luftfahrtbranche davon aus, dass die meisten Luftfahrtinteressierten Veteranen eine Familie gründen würden und folglich ein Familienflugzeug benötigen würden. Die Idee eines „Familienautos der Luft“ wurde von Cessna schon während des 2. Weltkriegs publiziert.

Der überwältigende Erfolg der C-120 / C-140 machte klar, dass eine größere 4-sitzige Maschine benötigt wurde. Der Einsatzschwerpunkt dieses Flugzeuges sollte aber mehr in Richtung „Überland- und Reisemaschine“ gehen und damit weg vom eindeutigen „Trainer-Profil“ der C-120/ C-140.

Die Aufgabe die an Mitch Zurawinksi als verantwortlichem Projektingenieur gestellt wurde war nicht ganz einfach: Die größte Kabine mit dem größtmöglichen Schwerpunktbereich musste mit der kleinstmöglichen und niedrigst motorisierten Zelle kombiniert werden. Wie anspruchsvoll diese Aufgabe war, zeigt sich aus den Anforderungen bezüglich des zu ermöglichenden Schwerpunktbereiches: Dieser sollte maximal 40 % MAC betragen – dabei sollte die Maschine aber hervorragende Überzieh- und Langsamflugeigenschaften aufweisen. Minimal sollte ein MAC von 10-12 % erreicht werden! Dies machte eine große Höhenflosse nötig mit der auch bei so stark Kopflastigen Schwerpunktlagen eine 3-Punkt-Landung sichergestellt werden konnte. Zum Vergleich – die MAC´s vergleichbarer Flugzeuge liegen zwischen 30 und 15-20 % MAC (mean aerodynamic chord)!

Um den Verkaufspreis niedrig zu halten bediente man sich den stoffbespannten Flächen der C-140 und fügte ein Stück an die innere Sektion an. Dies bedeutete aber, dass man sich der Querruder der kleinen C-140 bedienen musste, was sich in einem etwas schwachen Ansprechen der Querruder vor allem bei turbulentem Wetter nachteilig auswirkte. Es kam wohl öfter vor, dass man das Steuerhorn bei böigem Wetter im Landeanflug von Anschlag zu Anschlag nach Links und Rechts drehen musste um für die nötige Kontrolle zu sorgen.

Da man die bestmögliche Sicht nach vorn beim Rollen ermöglichen wollte, wurde der Motor etwas tiefer aufgehängt und die Cowling recht stark nach unten abfallend gebaut. Dies führte zunächst zu Problemen bei der Umgewöhnung von Piloten, die die fehlende Referenz einer hohen Cowling bei Anflügen vermissten.

Hank Waring führte auch diese Maschine durch den Erstflug. Den Antrieb übernahm ein O-300 Motor mit 145 hp. Es war der 5. November 1947 und der Flug war völlig ereignislos. Die großen Türen und der enorme Schwerpunktbereich sollten sich positiv auf die Verkaufszahlen auswirken. Die Tatsache, dass sich die Maschine nicht so schön und elegant handeln ließ wie die C-140 oder die große C-195 wurde in Anbetracht der geplanten Verwendung als Reisemaschine als vernachlässigbar betrachtet. Dennoch wurden bei den folgenden Versionen A und B die Querruder geändert, was zu besserem Ansprechverhalten um die Längsachse führte.

Die C-170A wurde im Jahr 1948 entwickelt und 1949 auf den Markt gebracht. Die Änderungen waren tief greifend und beinhalteten einen komplett neuen Flügel aus Metall, einer einfach ausgelegten Strebe (anstatt der V-Strebe) sowie einer Rückenfinne. Essentielles Teil der Tragflächen waren die Querruder mit einer speziellen Nasenkante, die ähnlich dem Frise Prinzip die Querruderkräfte senken sollte. Zudem wurde auch das negative Wendemoment durch diese spezielle Querrudernasenkante auf ein Minimum gesenkt. Da der neue Flügel die exzellenten Überzieheigenschaften der ursprünglichen Version negativ beeinflusste, musste die aerodynamische Schränkung der Fläche geändert werden. Sie wurde in Schritten bis zur Version B von -1 auf schlussendlich -3 Grad geändert. Auch das seit der B-Version in der linken Tragfläche angebrachte Landelicht sorgte mit seiner Abdeckung für eine Beeinflussung des Überziehverhaltens. Erst eine präzise Einpassung der Plexiglasabdeckung sorgte dafür, dass die linke Fläche beim Strömungsabriss nicht nach unten sackte.
Wie bei anderen Modellen auch, sorgte die einfach gestaltete Tragflächenstrebe für einen Anstieg des Widerstandes. Die nicht optimale Form, die durch eine günstige Fertigung geprägt wurde und wird, wird bei einem Flug durch Regen deutlich. Man kann sehr genau sehen, dass die Wassertropfen bis ca. 50 % der Strebe geblasen werden, danach mehr oder weniger unbeweglich stehen bleiben. Zwar hätten die Cessna Ingenieure gerne eine komplett stromlinienförmige Strebe verbaut, die Produktionsabteilung hätte dem jedoch wohl nie zugestimmt.

Die von der C-195 übernommene Rückenfinne sollte übergroße Gierwinkel bei voll ausgeschlagenem Seitenruder verhindern. Zudem verursachten auch hier die großen Landeklappen Probleme mit der Flugstabilität – und nicht zuletzt sollte eine mögliche Wasserflugversion der C-170 von der erhöhten Gierstabilität durch Einführung der Rückenfinne profitieren. Eine Schwimmerversion beinhaltete die Modell 89-2000 Schimmer – das MTOW betrug 2106 lbs. Dies sorgte dafür, dass die Maschine nur noch ~ 2 Personen tragen konnte. Aber auch eine Skiversion der C-170 war käuflich zu erwerben. Ausgestattet wurde sie mit den Federal A2500 und A2500A Skiern sowie einem Sporn-Ski.

1952 führte die B-Version auch neue, geschlitzte Landeklappen ein. Sie bewirkten mehr Auftrieb beim Start und mehr Widerstand bei der Landung. Die Cessna Marketing Abteilung verkaufte diese Landeklappen als „Para Lift Flaps“ (auch bei späteren Modellen taucht dieser Begriff auf). Die Landeklappen sollten also das Flugzeug einem „Paraglider gleich nach unten segeln“ lassen. Tatsächlich war die mögliche Sinkrate ohne Landeklappen größer als mit…aber offenbar hat sich kein Kunde je über diese fragwürdige Phraseologie beschwert. Genau wie bei anderen Cessna Modellen auch, sorgte eine 10 Grad Klappenstellung zum Start für eine rund 10 % kürzere Rollstrecke. Der Vorteil wurde aber beim Steigflug über das imaginäre 50 Fuß Hindernis wieder aufgegeben.

Von 1948 bis 1956 variierten die Verkaufspreise der C-170 zwischen nur 5.475 und 8.295 Dollar pro Flugzeug bei Basisausstattung. Über die neunjährige Fertigungszeit hinweg wurden insgesamt 5.173 Flugzeuge in Wichita gebaut. Sie legte den Grundstock für die nachfolgende, extrem erfolgreiche C-172 – DEM Schul- und Reiseflugzeug der Allgemeinen Luftfahrt überhaupt. Zudem reiht sich die C-170 in die Reihe der vielen Cessna Klassiker ein. Wer eine sein Eigen nennt, ist um dieses einfache, ehrliche und klassisch schöne Flugzeug nur zu beneiden.