Geschichte der Cessna C310/320 Skynight

von Patrick Kisel

Die Maschine entstammt einer Zeit, in der Flugzeuge noch nicht so reingewaschen und – wenn das Wort erlaubt ist – langweilig waren, wie dies heute bei neuen Entwürfen der Fall ist. Die Cessna 310 und ihre Abkömmlinge sind nicht am Computer entstanden wie eine DA 42 oder eine Cirrus SR 20. Stattdessen ist sie ein Zeitgenosse so eindrucksvoller Flugzeuge wie der North American F-100 Super Sabre, der Boeing B-52 und der Douglas DC-7. Mit der Cessna 310 gelangen wieder jede Menge Neuerungen. Sie legte überhaupt erst den Grundstein für viele andere 2 motorige Privat- und Geschäftsreiseflugzeuge der folgenden Jahrzehte. Ein Beweis für ihre hervorragende Konstruktion ist nicht zuletzt die lange Produktionszeit von 1954 bis 1981, die sich in einer Stückzahl von rund 6.321 Exemplaren widerspiegelt.

Doch wir wollen nicht zu weit vorgreifen… beginnt die Story der Cessna 310 doch bereits Ende Juni 1951, als Virgil „Hack“ Hacket mit grundlegenden Überlegungen zu diesem Modell begann. Lassen wir Hacket also kurz zu Wort kommen: „Ein wichtiger Punkt bei der Festlegung des ursprünglichen Designs war unser Wunsch dass die Maschine in einen 40x28 ft T-Hangar passen sollte. Wieder war es die Philosophie von Cessna dass die Maschine überall zum Einsatz kommen sollte. Wie auch immer – diese Forderung limitierte natürlich die Länge des Rumpfes in der ersten Phase des Designs. Um 5 Personen in diesen Rumpf, die Holme so zu positionieren, dass sie unter den Sitzen lagen um genügend Kopf und Fußraum zu schaffen sowie eine Tür zu installieren, bedurfte einiger schneller Entscheidungen. Aber man darf nicht vergessen, dass alles in der damaligen Zeit ungefähr ein Zehntel an Zeit verschlang wie einige Jahre später!“

Man wollte das Standard 23012 Flügelprofil aus der Cessna T-50 „Bamboo Bomber“ verwenden – war es doch am besten unter allen verfügbaren Profilen geeignet. Der Wunsch den Treibstoff nicht im Rumpf zu bevorraten brachte größere Probleme mit sich: Das Fahrwerk musste aus Platzgründen nach innen einfahren (wollte man eine komplizierte Drehmechanik vermeiden) – was eine Montage an den Triebwerksgondeln nötig machte (daher war dort kein Platz für Treibstoff vorhanden). Ein wet Wing war aufgrund der zu geringen Treibstoffkapazität dieser Variante (der Außenflügel war dafür zu dünn und die Spannweite zu gering) ebenfalls nicht möglich. Als einzige sinnvolle Alternative blieb daher die Anbringung von Flügelspitzentanks (Tip Tanks). Cessna fußte seine Überlegungen auf den Erkenntnissen von Lockheed mit einer Tip-Tank-Auslegung an deren P-80 Shooting Star und T-33. Zunächst sahen die Tip Tanks aus wie Torpedos. Später bekamen sie eine ovale Form um einen Endplatten = Wingtip-Fence-Effekt zu erzielen und schließlich wurden sie leicht angestellt um gegen die „Dutch Roll“ zu wirken. Die Tankkapazität betrug damals 50 Gallonen pro Tank.

Das Flügelprofil war für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt und besaß eine Dicke von 18 % an der Wurzel und 9 % an der Flügelspitze. Um höheren Widerstand durch Spalten zwischen Flügel und Landeklappe zu vermeiden, bediente man sich einfachen Spreizklappen. Man würde es nicht meinen – aber Spaltklappen liefern auch bei Klappenwinkeln von 60 Grad noch erstaunlich hohe Auftriebswerte (der Maximalausschlag wurde jedoch auf 45 Grad beschränkt). Der extrem hohe Widerstand der Spreizklappen würde positiv dem extrem niedrigen Widerstand der Flugzeugzelle an sich entgegen wirken. Zudem sorgte die Spreizklappe für einen stabilen Flügel ohne größere Schwächungen wie er bei einer aufwändigeren Landeklappe (z.B. Fowler) auftreten würde. Dennoch zeigten Bodenversuche, dass die Stabilität des hinteren Flügelholmes nicht ausreichend war: Interessanter Weise waren die Holme völlig ausreichend Stabil um sämtliche Lasten im Flug zu tragen – das Problem waren die Landestöße! Dies lässt sich damit erklären, dass die „toten Gewichte“ wie Motoren und Tip-Tanks im Flug die Biegekräfte reduzieren, sie die Biegekräfte beim Landestoß aber erheblich erhöhen.

Neben den Beschränkungen in den Abmessungen der Maschine, war man auch darauf bedacht das Gewicht zum Erreichen von adequaten Steigflugleistungen mit ausgefallenem kritischem Motor gering zu halten. Es kam hier zu diversen Konfrontationen unter den Ingenieuren – speziell was die Rumpfspanten anging. Bei einem Testflug am 18. April 1956 sollte dieses Problem noch mal „in der Realität“ Beachtung finden: Fritz Feutz führte mit N37879 einen Testflug durch der auch Sturzflüge bis über die rote Linie beinhaltete. Auf einmal platze das linke Cockpitfenster heraus. Fritz konnte die Maschine abfangen und landen. Nach der Landung wurde festgestellt, dass das Fenster das linke Höhenleitwerk getroffen hat. Viel erschreckender war die Tatsache, dass der auftretende Druckunterschied offenbar den hinteren Rumpfspant zum Bersten gebracht hat! Ein eindeutiger Beweis für dessen zu geringe Materialstärke. Die Maschine wurde übrigens nach Abschluss der Untersuchungen verschrottet…

Weitere Designmerkmale der Maschine:

- Das Fahrwerk der C-310 wird elektrisch betätigt, das Ein- und Ausfahren der Fahrwerke übernehmen Schubstangen (vgl. C-340). Das Notausfahren erfolgt per Handkurbel.
- Die Motorgondeln sind so eng wie möglich um den Motor geschlungen. Sie sorgen für wenig Widerstand, eine Erhöhung des Auftriebs und eine bessere Schubleistung des Propellers (wenig Stirnfläche der Motorgondeln hinter den Propellern).

Die Prototypen flogen zunächst mit 225 HP Continental Motoren – später war geplant sie durch 240 HP O-470-B Motoren des gleichen Herstellers mit Druckvergaser zu ersetzen. Der Druckvergaser saß bei den Serienflugzeugen zwischen dem Motor und dem Brandschott. Es gab keine Widerstandserhöhenden Hutzen – statt dessen wurde die gesamte benötigte Luft für Ölkühler und Vergaser vom zentralen Lufteinlass abgenommen und nachdem sie die Zylinder gekühlt hatte durch Röhren die ihre Auslässe vor der Flügel Nasenkante hatten, wieder abgeführt. Um den Sogeffekt für die Kühlluft zu erhöhen wurde in den vorderen 6 Inches dieser Luftröhren die Abgase der Zylinder eingeleitet. Die Geschwindigkeit der Abgase sorgte also in den Röhren für einen Sogeffekt der mehr Luft vorne über die zentralen Lufteinlässe einsaugte. Das System (genannt „jet pump“) funktionierte gut – wurde später aus Lärmgründen jedoch verworfen.

Der Erstflug von N41699 wurde von Testpilot Hank Waring von der McConnel Air Force Base am 3. Januar 1953 aus durchgeführt. Die Flugversuche beschäftigten sich – wie üblich – mit dem allgemeinen Handling der Maschine, dem Handling bei verschiedenen Schwerpunktlagen sowie der Ermittlung von Leistungswerten. Darüber hinaus konzentrierte man sich auf die Festlegung der besten Propellergröße sowie diversen Anpassungen bei Motorkühlung und Vergaser.

William Thompson erinnert sich an eine im wahrsten Sinne des Wortes brenzliche Situation bei einem der früheren Testflüge: Zur Prüfung der Steigflugleistungen mit nur einem Motor stellte Thompson in nur 500-1000 ft den rechten Motor ab. Kurz darauf sah er eine Flüssigkeit aus dem Motorraum des linken (laufenden) Motors rinnen. Natürlich war dies Treibstoff! Er traf sofort Vorbereitungen für eine Notlandung in McConnel und versuchte den abgestellten, rechten Motor sofort wieder zu starten (was ja nicht immer ganz einfach ist…). Glücklicherweise sprang der Motor schnell wieder an und Thompson konnte den linken, gefährdeten Motor schnell abstellen. Nach der einmotorigen Landung und dem Entfernen der Cowling stellte man entsetzt fest, dass eine Primer Leitung aus Kupfer gebrochen war. Der Bruch war nur ein paar cm von den heißen Abgasführungen entfernt und der Treibstoff hatte sich (den roten Spuren des 80 Oktan-Sprits nach) über den gesamten Motor ergossen. Ein Wunder, dass es nicht zu einem Feuer oder gar einer Explosion kam!
Die Flugeigenschaften der Maschine waren tadellos. Zwar war eine Prüfung der Trudeleigenschaften für zweimotorige Flugzeuge über 4.000 lbs Gewicht nicht nötig, dennoch traten im Laufe der Flugtests ab und an unbeabsichtigtes Trudeln auf. Mit den großen Seiten und Höhenruderflächen wurde das Trudeln jedoch jedes Mal problemlos nach ½ Umdrehung beendet. Später erfuhr man, dass Air Force Piloten in der L-27 A (dem militärischen Modell der C-310) öfter mal unbeabsichtigt getrudelt sind! Und das über längere Zeiträume hinweg!

Interessanter Weise wurden auch Leistungstests ohne Tip-Tanks durchgeführt. So betrug die erreichbare Höchstgeschwindigkeit MIT Tip-Tanks 216 mph, ohne Tanks jedoch 223 mph. Die Steigleistung lag mit den Tanks ganz leicht höher als ohne die Tanks. Trotz des Endplatten-Effekts verschlechtern die Tip-Tanks also die Leistung des Flugzeuges im Vergleich zu einer sauberen Flügelspitze was die Höchstgeschwindigkeit angeht. Freilich war es keine Option bei der C-310 auf die Tip-Tanks zu verzichten. Interessant sind diese Details aber dennoch wie ich finde.

Wie in der Einleitung schon berichtet, hielt Cessna die Produktion der C-310 von den Jahren 1954 bis 1981 aufrecht. Über diese vielen Jahre gab es eine Vielzahl von Versionen. All diese aufzuzählen würde hier ziemlich den Rahmen sprengen.

 

L-27A / U-3A, B

Im Jahre 1956 wollte die USAF zweimotorige Tainingsflugzeuge eines Typs kaufen, der frei auf dem Markt verfügbar war. Nach einem kleinen Wettbewerb zwischen Cessnas C-310 und Beechs Twin Bonanza entschied sich die USAF für die C-310. Im Dezember 1957 wurden 80 Maschinen als L-27A geliefert, weitere 80 folgten als U-3A im Jahre 1958.

Bei diesen militärischen Versionen handelte es sich um reguläre C-310 mit 2x240 hp und kleinen Änderungen was die Avionik und Instrumentierung anbelangt. Zudem waren die Maschinen natürlich blau gestrichen und mit entsprechenden Abzeichen und Markierungen der USAF versehen. In der USAF wurden die Flugzeuge „Blue Canoe“, als blaues Kanu genannt. Das MTOW der Maschinen betrug 4.830 lbs, sie hatten eine Höchstgeschwindigkeit von 232 mph und eine Dienstgipfelhöhe von 20.400 ft mit beiden Motoren.

Grundsätzlich gab es kaum Probleme mit der Maschine. Zum Leidwesen von Cessna trudelten einige Air Force Piloten die Maschine jedoch absichtlich (es kam zu keinem Unfall durch beabsichtigtes Trudeln) – obwohl die Maschinen hierfür nicht zugelassen waren!

Für Cessna war eine der größeren Herausforderungen dieses Geschäftes die Anfertigung eines entsprechenden, Militär-geeigneten Flughandbuches. Dieses Handbuch hatte einen Umfang von 150 statt 100 Seiten und wurde von einigen zivilen Piloten ebenfalls gerne benutzt, die die Hintergrundinformationen im ausführlicheren, militärischen Handbuch zu schätzen wussten.

1960 wurden noch mal 36 Flugzeuge unter der Bezeichnung U-3B gekauft. Diese Version entsprach mit 2x260 hp der zivilen E-Version der Cessna 310. Von den Flugleistungen her entsprach die 4.830 lbs schwere U-3B jedoch eher der zivilen F-Version.

Nach einem Jahr Erfahrung im Betrieb der U-3A gab die USAF die direkten Betriebskosten mit 12 Dollar/ Stunde an. Dies, die hervorragende Zuverlässigkeit und die große Beliebtheit bei den Piloten sorgten für die schon erwähnte Bestellung von zusätzlichen 36 Maschinen im Jahre 1960.

Für Cessna bedeutete dieser Auftrag einen Fuß in der Tür was Aufträge durch die USAF anbelangte. Aber auch Beech ging mit seiner Twin Bonanza nicht leer aus – bestellte doch die US Army das Flugzeug, dessen bessere Eignung für holprige Pisten hier den Ausschlag gab.

 

C-320 Skynight, T-310P, Q, R

Das Jahr 1962 brachte mit der C-320 Skynight endlich eine Version mit turbo-geladenen Motoren. Wie bei ähnlichen Flugzeugen auch, war der größte Knackpunkt bei der Einführung von Turbomotoren die Sicherstellung der Motorkühlung bei Flügen in großer Höhe bei geringer angezeigter Fluggeschwindigkeit. Die Modifikationen betrafen damit in erster Linie Änderungen in der Luftführung innerhalb der Motorhauben. Der innen liegende, mit Filter versehende Vergaserlufteinlass musste nach Außen versetzt werden um mehr Ram Air abzubekommen. Dies war vor allem für Flüge über der kritischen Höhe des Turboladers nötig (Anmerkung: Das ist die Höhe bis zu der der Turbolader den vollen Ladedruck erzeugen kann, auch Volldruckhöhe genannt). Die Lösung war ein Lufteinlass zwischen Rumpf und Motorgondeln in den Nasenkanten der Tragflächen. Von hier gelangte die Luft durch den Kompressor des Turboladers der hinter dem Motor lag.

1962 war die C-320 das mit Abstand schnellste Flugzeug der Allgemeinen Luftfahrt. Bei einem MTOW von 4.990 lbs betrug die Höchstgeschwindigkeit 260 mph in 16.000 ft Höhe sowie von 244 mph in 24.000 ft. Leider war die Maschine aufgrund ihres „Hot Rod Status“ nicht so bliebt – es wurden nur 110 Flugzeuge im Jahre 1962 zu Preisen von 67.500 Dollar verkauft. Die 260 hp starken TSIO-470-B wurden bis zum Jahre 1965 (Versionen 320, 320-1, 320A, 320B, 320C) eingebaut. Danach brachte der 285 hp leistende TSIO-520-B die Höchstgeschwindigkeit auf 275 mph.

Die Skynight wurde bis zum Modell F im Jahre 1969 gebaut. Danach kehrte man zur Designation 310 zurück, genauer gesagt wurden die Turbovarianten der C-310 als T310P, Q und R (letzte Baureihe bis zum Jahre 1981) bezeichnet. Der finale Preis der turbogeladenen T-310R betrug im Jahr 1981 219.850 Dollar. Leider wurden in diesem letzten Jahr nur noch 40 Stück abgesetzt. Dies bringt uns auf eine Gesamtzahl von C-310 in all ihren Versionen von erstaunlichen 6.321 Stück!

Heute trifft man die C-310 vor allem noch in den USA in stattlicher, wenngleich langsam schwindender Anzahl. Auch hier wirken sich die relativ hohen Kosten dieser schönen aber alternden Maschinen negativ aus. Manch Eigner überlegt sich, ob er nach unten in die Klasse von Piper Seneca & Co oder nach oben in den Bereich der Druckkabinenflugzeuge Beech 58 P oder Cessna C-340 gehen sollte. Wie dem auch sei, die Cessna 310/ 320 haben Luftfahrtgeschichte in der allgemeinen Luftfahrt geschrieben als durch sie überhaupt erst die Klasse der leichten Kolbenmotor 2-Mots ins Leben gerufen wurde. Ich hoffe man wird sie noch lange als einer der großen Klassiker der Luftfahrt im Gedächtnis behalten und sich noch einige Jahre an ihren sckicken, einmaligen Linien erfreuen können.