Geschichte der Cessna C188 AGwagon

von Patrick Kisel

Begonnen hat alles Anfang der 1960´er Jahre. Fred Weick entwickelte im Auftrag der Regierung ein spezielles, extra für die Agraflugrolle entworfenes Flugzeug. Ein paar Jahre nachdem die Maschine bereits flog, griff Piper das Konzept auf und entwickelte zusammen mit Fred Weick die so erfolgreiche Piper Pawnee.

Als Antwort auf dieses Produkt begannen im August 1964 intensivere Marktstudien für ein etwas größeres Agrarflugzeug aus dem Hause Cessna. Hierfür flog ein Team – dem wieder einmal William Thompson angehörte – mit einer C-206 in die großen Agrarfluggebiete in Süd Texas und Georgia um die Betreiber der damaligen Agrarflugzeuge nach ihren Wünschen und Erfahrungen zu fragen. Das Know How von Cessna beschränkte sich damals im Bereich Agrarflug nämlich ausschließlich auf die Einrüstung von Sprühgerätschaften in die bestehenden 4-sitzigen Cessna Schul- und Reiseflugzeuge.

Eine lustige Geschichte passierte dem „Interviewteam“ auf dem Hinweg von New Orleans nach Brownsville: Bei großer Hitze und turbulenter Luft, litten die Jungs in ihren schicken Anzügen ganz fürchterlich in der Kabine der C-206. Jemand kam auf die Idee an der einsamen Küste zu landen um sich dort im Meer abzukühlen. Freilich hatte niemand Badesachen dabei – also gab es kein kleines FKK Baden mit der nebenan am Strand stehenden C-206. Als sie so im Wasser plantschten, bekamen Sie doch Bedenken, dass vielleicht eine 2. Maschine neben Ihnen landen würde – mit einer Crew, die die Badesachen vielleicht nicht vergessen hatte! Dieser Gedanke löste doch ein paar Bedenken aus, die das Badevergnügen etwas trübten, denn vor dem Weiterflug mussten die Nacktbader freilich noch an der Luft trocknen – denn auch Handtücher waren nicht mit dabei!

Zurück zum Projekt C-188! Die Interviews mit Agro-Betreibern ergaben, dass die Maschine einen 200 Gallonen Tank bei einer Flügelfläche von 200 ft² tragen sollte. Die Spannweite wurde mit mind 40 ft. berechnet. Der Flügelansatz sollte ständigen Belastungen von Ladepersonal gewachsen sein, die diesen Bereich als Arbeitsfläche zum Einfüllen von bis zu 100 lbs schweren Säcken mit Streumaterial benutzen würden. Diese Vorgaben führten zur Implementierung bestehender C-180´er Flächen. Deren Tragflächen würde man an Stummel anfügen, die als Trittflächen dienen würden. Eine Abstrebung der in Tiefdeckerauslegung angebrachten Flächen würde nach oben zum Vorderrumpf hin erfolgen.

Um die Kosten niedrig zu halten, wurden der Hinterrumpf, das Leitwerk und die Cowling der C-180 verwendet. Das Höhenleitwerk wurde (aufgrund des kleinen benötigten Schwerpunktbereiches) mit einem nicht verstellbaren Einstellwinkel übernommen. Um dem Piloten eine möglichst gute Rundumsicht zu geben, wurde das Cockpit erhöht (beinahe auf den Rumpf) gesetzt. Der Frischlufteinlass der Kabine befand sich auf dem Kabinendach um das Eindringen von Chemikalien aus vorhergegangen Sprühflügen zu reduzieren. Zwei Türen ermöglichten das schnelle Verlassen der Maschine – eine wichtige Sache bei den nicht auszuschließenden kleineren Crashs mit leckenden Chemikalientanks, wie sie in der nicht risikofreien Agrarfliegerei sicherlich auftauchen würden. Zur weiteren Crashsicherheit wurde der Vorderrumpf aus großzügig berechneten Stahlrohren zusammengebaut, die auch für die nötige Crashsicherheit des Chemikalien- und dem dahinter liegenden Treibstofftank sorgten. Ein verstärkt ausgelegtes Gurtsystem und gepolsterte Instrumententafeln sollten den Pilot beim Crash zusätzlich schützen.
Um der Gefahr durch Telefonkabel und anderen Leitungen zu begegnen, wurde zwischen dem Cockpit und dem Leitwerk ein Seilabweiser gespannt. Fahrwerk und Windschutzscheibe erhielten Kabelschneider.
Einer der wichtigsten Projektingenieure des Programms war Vince Tennant. Man sorgte dafür, dass eine Piper Pawnee gemietet wurde – die Test Pilot Mashall Claybourn eingehend untersuchte. Die Cessna Ingenieure waren von der Leistung der Pawnee beeindruckt. Insbesondere von der hohen Zuladung. Die höhere Geschwindigkeit der C-188 sollte jedoch in Verbindung mit der deutlich höheren Zuladung zu einer besseren Produktivität im Vergleich zur Pawnee beitragen.

Ein wichtiger Punkt bei der finalen Auslegung der Maschine war das Cockpit – nicht nur in Bezug auf die passive Sicherheit. Vor allem der Komfort des Piloten stand ganz oben auf der Liste – denn an guten Tagen würde ein Sprühpilot rund 8 Stunden hinter dem Steuerknüppel verbringen müssen. Der eingebaute Sitz war in 4 Richtungen verstellbar, der Steuerknüppel so geformt, dass das Ein- und Aussteigen erleichtert wurde. Teile der Cockpitstruktur und Verkleidung waren austauschbar konstruiert – ein Tribut an den erwarteten starken Verschleiß dieser Teile im harten Agrareinsatz.

Die wichtigsten Instrumente (zu denen übrigens auf Wunsch der befragten Agrarflieger z.B. der Fahrtmesser nicht gehörte) wurden möglichst weit oben, teilweise sogar über der Instrumententafel angebracht um besser im Blickfeld des Piloten zu liegen. An der linken Cockpitseite befindet sich der Auslösehebel der Sprüh- oder Streueinrichtung. Daneben – etwas kleiner – der Hebel zum Bedienen der maximal auf 30 Grad absenkbaren Landeklappen. Noch weiter außen, auf einem kleinen Absatz gelegen, das kleine und selten benutzte Rad der Höhenrudertrimmung.

Der (zunächst) 200 Gallonen fassende Sprüh- oder Streutank wurde aus GFK Fiberglas hergestellt. Seine Transparenz machte das Befüllen und Ablesen des Füllstandes einfach. Die Befüllung erfolgte grundsätzlich von oben – erst später wurde für flüssige Stoffe eine seitliche Öffnung zur Druckbetanktung eingerichtet.

Der Motoreinbau wurde möglichst wartungsfreundlich gestaltet. Der gesamte Motor konnte in seiner Aufhängung nach außen weggeschwenkt werden, um einen besseren Zugang zu den Anbaugeräten zu ermöglichen. Ein Öl-Schnellablass und ein zentraler Treibstoff-Drainhebel gehörten ebenfalls zur Standardausstattung.

Freilich musste auch das Fahrwerk extrem robust ausgelegt sein, um die harten Bedingungen auf Farmen und Agrarflugplätzen viele Jahre lang zu überstehen. Die Fahrwerksschwingen bestanden aus 7/8 –Inch starkem Chrom Vanadium Stahl. 6.00 x 6 Reifen am Hauptfahrwerk wurden bald durch übergroße 8.00 x 8 x 22 Reifen ersetzt. Diese Bereifung stammte übrigens direkt von der großen C-411). Das Spornrad erhielt ein einfaches, 10 inch großes Rad.

Großer Wert musste auf einen ausreichenden Korrosionsschutz gegeben werden. Grund hierfür waren natürlich der zum Teil sehr aggressive Nebel aus Chemikalien, die die Maschine während der Sprühflüge zu durchfliegen hatte. Cessna verwendete einen dreifachen Korrosionsschutz und Endlackierung mit einer Epoxy basierenden Grundierung. Steuerseile bestanden aus rostfreiem Stahl und der Rumpf besaß viele große, schnell zu öffnende Paneele um eine eingehende Kontrolle der inneren Rumpfstrukturen zu ermöglichen.

Der erste Prototyp wurde mit einem Continental 230 hp 0-470-R Motor und einem McCauley Festpropeller ausgerüstet. Roy Reagan war ein ganz junger Ingenieur – für Cessna jedoch ein Glücksgriff – er flog umgebaute B-17 Bomber als Sprüh- und Streuflugzeuge in den Semesterferien seines Studiums. Mit diesem Hintergrund der Agrarfliegerei sollte Roy den Erstflug der C-188 „Agwagon“ übernehmen, der am 19. Februar 1965 stattfand. Wie von den Ingenieuren erwartet, führten die großen Flügelstreben an ihren Befestigungspunkten zu starken Verwirbelungen, die die Langsamflug- und Überzieheigenschaften massiv negativ beeinflussten. Viel Arbeit, vor allem von Aerodynamiker Bill Robinson war nötig, um durch kleine Detailverbesserungen zu einem zufrieden stellenden Ergebnis zu gelangen. Über einige Zeit hinweg beschäftigte Cessna die Frage der V-Stellung der Tragflächen. Ursprünglich war geplant, den Flächen 0 Grad V-Stellung zu geben um die Manövrierfähigkeit der Maschine zu verbessern. Leider war damit aber die FAA Anforderung nach Stabilität um die Querachse nicht zu erfüllen – womit ein Winkel von 6 Grad zur Anwendung kam. Als sich später zeigte, dass die Steuerseile aus rostfreiem Stahl durch die starke Belastung beim Manövrieren zum Ausfransen neigten und damit im Vergleich zu herkömmlichen, unkorrodierten Steuerseilen eine erheblich verringerte Lebensdauer aufzuweisen hatten, wurde der Ruf nach noch mehr Querstabilität laut – und die V-Stellung wurde auf nunmehr 9 Grad angehoben. Dies geschah um das Jahr 1970.

Um mehr Querruderfläche zu erhalten, wurden schlussendlich die Flügel der C-185 durch die Flächen der C-206 ersetzt. Die Spannweite der Querruder nach innen hin vergrößert und damit auf etwas Landeklappenfläche verzichtet.

All diese Änderungen wurden vor der Zertifizierung der Maschine durch die FAA durchgeführt.

Im Gegensatz zum 2. Prototyp, der mit einem 300 hp Conti IO-520-D Motor und McCauley Constant Speed Prop ausgestattet war, erreichte der 1. Protoyp bei einem Abfluggewicht von 3.300 lbs eine Höchstgeschwindigkeit von 130 mph und eine Dienstgipfelhöhe von nur 10.000 Fuß. 300 hp und Constant Speed Prop verhalten dem 2. Prototypen zu einer Höchstgeschwindigkeit von 151 mph und einer Dienstgipfelhöhe von allerdings nur 10.400 Fuß. Um nicht noch mehr Leistung einzubüßen, entwickelten die Cessna Ingenieure eine Sprüh-/ Steuvorrichtung, bei der lediglich die Düsen aus dem Flügel herausragten. Die Gefahr von extremer Korrosion bei Undichtigkeiten führte jedoch dazu, dass diese aerodynamisch hervorragende Konstruktion verworfen wurde und ein herkömmlicher, externer Sprühausleger (der allerdings von Cessna entwickelt wurde) zum Einsatz kam.

Zum Preis von anfänglich 15.995 Dollar war die C-188 mit dem 230 hp Motor ab 1966 zu erwerben. Ihre 300 hp Schwester (Bezeichnung C-A188) kostete 3.000 Dollar mehr. Wurden die Flugzeuge nicht in der Normalen Kategorie geflogen sondern in der „Restricted“, dann konnte das normale Abfluggewicht von 3.300 lbs auf 3.800 lbs bzw. 4.000 lbs gesteigert werden.

Ein Sprühflugeinsatz bei Nacht erscheint einem undenkbar – die Cessna Ingenieure wagten sich an das Thema dennoch heran! Ausgestattet mit 600 Watt Scheinwerfern und kompletter Nachtflugbeleuchtung wurde Bruce Barrett zu Testflügen losgeschickt. Die Testflüge fanden vom alten Piper Airpark statt – und, nachdem die Testcrew mit der Beleuchtung zufrieden war, wurde ein Agrarflugbetreiber zu Testflügen eingeladen. Kurz nach Beginn der nächtlichen Tiefflüge, fand sich fast die gesamte Polizei von Kansas mit ihren Streifenwagen ein – die tieffliegende Maschine wurde bei Nacht doch glatt für einen Drogenkurier gehalten!

Über die 16 Jahre hinweg dominierte die Agwagon in verschiedenen Version die Agraflugszene. Die Produktionszahlen bis zur Einstellung der Fertigung im Jahre 1983 lagen bei 3.967 Stück – inklusive den in Kolumbien in Lizenz hergestellten Maschinen. Lustigerweise wurde und wird die C-188 auch als Fischtransporter eingesetzt – hauptsächlich in Kanada und Alaska, wo in ihrem großen Sprühtank lebender Fisch durch die Lande geflogen wird! Auch hier ist Cessna also wieder ein „großer“ Wurf gelungen, diesmal mit einem Flugzeug, das seinen harten Dienst meist fernab der üblichen Flugplätze über den einsamen Feldern der USA verbringt und seinen Piloten auch heute noch ein verlässlicher, sicherer Partner ist.