Geschichte der C336 Skymaster

von Patrick Kisel

1959 forderte die Geschäftsleitung von Cessna die Ingenieure auf, sich Gedanken über eine neue, leichte, zweimotorige Maschine zu machen, die auch von kleinen und holprigen Grasflugplätzen aus operieren konnte.

Es wurden zunächst folgende Konfigurationen ins Auge gefasst:

- Konventionelle Tiefdecker Auslegung
- Hochdecker mit 2 Schubpropellern
- Hochdecker in Push-Pull-Auslegung (als Schub und Druck-Propeller)
- Reisegeschwindigkeit 180 mph
- Auslegung mit Fest-Fahrwerk
- Continental IO-360-A Motoren mit je 210 hp (zunächst aufgrund fehlender Verfügbarkeit Einsatz des Conti GIO-300 Motors mit ebenfalls 210 hp und Untersetzungsgetriebe)

Unter diesen Voraussetzungen wurde die Hochdecker Push-Pull-Auslegung gewählt. Hätte man von Anfang an an die Implementierung eines Einziehfahrwerkes gedacht, wäre wohl eine Tiefdecker-Auslegung zur Anwendung gekommen. Die ungewöhnliche Push-Pull Auslegung sollte jedoch einige interessante Designmerkmale bedingen, wie wir gleich sehen… Hauptsächlicher Projektingenieur der C-336 war der bereits am Modell C-310 arbeitende Don Ahrens.

Hier nun einige Designmerkmale und Probleme der Auslegung auf einen Blick:

Crashsicherheit:

Wie man sich denken kann, muss bei der Auslegung eines Motors hinter der Passagierkabine großes Augenmerk auf die Crashsicherheit gelegt werden. Im Falle eines Unfalls mit direkt in Flugrichtung wirkender Verzögerung löst sich der hintere Motorträger am oberen Anschlag und schwenkt nach unten weg, so dass es zu keinem Eindringen des schweren Motors in die Kabine kommen sollte.

Einmotorenbetrieb:
Die Auslegung mit einem Zug- und einem Druckpropeller sollte eines der größten Probleme aller 2-motorigen Flugzeuge lösen: Die ungleichmäßige Schubverteilung beim Ausfall eines Motors. Fast die gesamte Ausbildung auf 2-motorigen Flugzeugen befasst sich mit der Frage: „Was tun im Falle eines Triebwerksausfalls“ – und „welches ist das ausgefallene Triebwerk“. Hierzu sollte man wissen, dass bei Ausfall eines Motors (sofern es nicht zu einem Blockieren der Propellerwelle gekommen ist), der Propeller durch den Windmühleneffekt des Fahrtwindes weiter dreht. Optisch sieht man also fast keinen Unterschied zwischen dem aktiven und dem innaktiven Motor. Leider produziert der Propeller im Windmühleneffekt extrem viel Widerstand und muss daher so schnell wie möglich „gestoppt“ werden. Dies geschieht durch das Stellen der Propellerblätter in die Widerstandsgünstige Segelstellung. Man muss sich vor Augen führen, dass die Maschine währenddessen rund 80-90 % Ihrer Triebwerksleistung eingebüsst hat (50 % TW-Leistung weniger, dazu jede Menge Widerstand durch ausgeschlagene Ruderflächen, ungünstige Anströmung der Flugzeugzelle und zunächst noch mitdrehender, extrem bremsender Propeller). In dieser Situation wird (vor allem in niedrigere Flughöhe bei Start oder Landung) sehr viel vom Piloten verlangt. Leider passiert es immer wieder, dass die Piloten in der evtl. aufkommenden Hektik den falschen Motor abstellen – mit fatalen Folgen…

Die Push-Pull Auslegung macht es trotz der Verfügbarkeit des Schubs entlang der Längsachse (= Centerline Thrust) nicht nur einfachter. Zwar bleibt die Maschine im 1-motorigen Flug aerodynamisch sauberer und leichter beherrschbar, jedoch macht gerade diese Eigenschaft das Lokalisieren des ausgefallenen Motoros schwerer. Bei „normalen“ 2-Mots gibt es den Spruch „Dead Foot = Dead Engine“. Im Falle der Skymaster funktioniert diese Regel nicht. Es fehlt einfach Leistung. Welcher Motor „tot“ ist, kann nur anhand der Motoranzeigen (vor allem des Treibstoff-Durchflusses/ Treibstoffdrucks sowie der Abgastemperatur) festgestellt werden. Der Prototyp der Skymaster verfügte noch über Anzeigelampen an/ in den Leistungshebeln im Cockpit, die dem Piloten das ausgefallene Triebwerk angezeigt haben. In jedem Fall bedeutet die Bedienung einer 2-Mot wie der Skymaster eine größere Umstellung für 2-Mot-Piloten…. Wir werden das später noch sehen….
Der Prototyp wies eine Triebwerksregelung mittels der bekannten Cessna Gashebel-Schiebern auf – also eine Abkehr zu den sonst bei Twins meistens verwendeten „Levers“. Dies geschah nach größeren Diskussionen unter Ingenieuren und Testpiloten. Diese unübliche Auslegung bedeutete im Detail: Hinterer Motor = obere Bedien-Schieber; vordere Motor = untere Bedien-Schieber (also alle 6 Motorkontrollhebel in 2 Reihen übereinander; Später wurde die Installation der Leistungshebel dem bekannten Muster mit 6 Bedienhebeln/ Lever angepasst).

Flügel:
Die Skymaster verfügt über einen relativ großen Flügel mit einer Flügelfläche von 202 ² ft und dem bekannten NACA 2412 Profil an der Wurzel – zur Flügelspitze übergehend ins Profil NACA 2409. Die Flügelstreckung beträgt 7,2.
Erstmals kamen bei der Skymaster kurze (5 ft lange), dafür aber mit 29 % tiefe, Friese-Querruder zum Einsatz. Dies stellte erstmals eine Abkehr von den bei Cessna bis dahin üblichen weit gespannten, schmalen Querrudern dar. Aufgrund der sehr guten Erfahrungen wurden die neuen, kurzen Querruder 1964 dann in die Modelle C-210D und C-206 (später auch in die C-177) übernommen.
Die kurzen Querruder wurden nötig, um die Spaltklappen über einen möglichst großen Bereich ziehen zu können – sie weisen eine Länge von 8 ft und eine Tiefe von 30 % auf.
Treibstofftanks mit einem Fassungsvermögen von 46,5 Gallonen finden sich außenbords der Leitwerksträger, weitere 2 optionale, je 19 Gallonen fassende Tanks innerhalb der Leitwerksträger.

Lärm und Kühlprobleme standen am Anfang…
Wie sich sehr schnell herausstellte, war neben der schwingungsfreien und robusten Auslegung der Leitwerksträger vor allem die Sicherstellung des hinteren Motors das Hauptproblem der Maschinen. Nachdem zunächst keine Landeklappen für die Flügelsektionen innerhalb der Leitwerksträger vorgesehen waren, installierte man nach vorne öffnende, regelbare Lufthutzen in den hinteren Flügelteil. Später wurden diese Hutzen durch nach vorne öffnende Lufthutzen im Bereich des Flügel-/ Rumpfübergangs (mit den Abmessung 6,7 inch) ersetzt. Dies bedingte recht aufwändige Luftführungen – und wie sich herausstellte (schon damals!) Lärmprobleme durch die über der horizontal installierten „Firewall“ nach hinten abfließenden Kühlluft – auf die die Propellerblätter trafen. In der Folge wurde die Luft durch eine große, regelbare Hutze auf der Cowling eingefangen, der hintere Propellerspinner um 4,5 inches verlängert und ein großer, 20 blättriger Kühlventilator in der hinteren Cowling-Öffnung eingebaut. Der Ventilator wurde mit der Kurbelwelle direkt verbunden und beanspruchte bei Volllast rund 3 hp der Motorleistung.

Am 27. Februar 1961 fanden Hochgeschwindigkeits-Rollversuche der Maschine auf der neben dem Cessna Werk liegenden McConnell Air Force Base mit William D. Thompson statt. Unbeabsichtigter Weise hob die Maschine bei diesen Tests ab – und flog kurz in einer Höhe von rund 5 ft. Das unbeabsichtigte Abheben wurde von Thompson auf die schlechte, haklige Dosierbarkeit der Leistungshebel und Probleme mit dem Lauf der Höhensteuerung geschoben. Eine feine Dosierung sowohl von Höhenruder als auch der Motorbedienhebel war nicht möglich! Nach rund 1.000 ft „haarsträubender Herumeierei“ war die Maschine wieder am Boden.

Der eigentliche Erstflug fand dann einen Tag später, ebenfalls mit Thompson am Steuer, statt. Er stellte der Maschine ein relativ gutes Urteil aus:

- ziemlich spektakuläre Beschleunigung im Startlauf
- gute Kontrollierbarkeit sowohl in der Platzrunde als auch im Steigflug
- relativ schlechte Stabilität um die Querachse – vor allem aufgrund der starken Reibung in der Höhensteuerung
- relativ geringe Höhenruderwirkung beim Überziehverhalten mit 20 und 30 Grad Klappen. Extreme Nickbewegung bei 40 Grad Klappenstellung
- Keine fühlbare Lastigkeitsänderung bei Reduzierung der Motorleistung des hinteren Motors. Ausgeprägtes Nicken nach unten bei Reduzierung der Motorleistung des vorderen Motors (wie bei einmotorigen Flugzeugen üblich)
- Gute Kontrolle bei Landung und Ausschweben
- Besser als erwartet in Bezug auf Sicht, Komfort und Vibrationsniveau

Trotzdem musste noch an der Maschine gefeilt werden. Die Änderung der Motorkühlung (mit Wegfall der Kühlklappen an den inneren Flügelsegmenten) machte es möglich nun auch Landeklappen in den Bereich zwischen Leitwerksträger und Rumpf einzubauen. Hierdurch wurde das starke Nickmoment beim Fahren der Landeklappen auf 65 % reduziert. Die Höhenruderfläche wurde vergrößert – vor allem nach außen hin zu den Seitenrudern. Hierfür musste der maximal Ruderausschlag außen auf 15 Grad begrenzt werden – innen blieb er bei den ursprünglich verwendeten 21 Grad. Wie bei anderen Cessnas wurde die maximale Landeklappenstellung von 40 auf nur noch 30 Grad verringert und die Fläche der Höhenruder-Trimmklappe vergrößert. Trotzdem blieben die großen Lastigkeitsänderungen bei großen Leistungswechseln bestehen (Problem mit der wechselnden Anströmung des Höhenleitwerks). Abhilfe schuf eine Höhenrudertrimmung die um die Neutralstellung herum normal, zu den Kopf-/ Schwanzlastigkeitsanschlägen jedoch sehr sensibel und schnell arbeitet – womit der Pilot große Höhenruderkräfte sehr schnell wegtrimmen kann.

Nachdem vor allem beim Durchstarten immer noch sehr große Ruderkräfte auftraten, wurde von Bill Seidel ein halbautomatisches System zur Betätigung der Höhenrudertrimmung beim Zurückfahren der Landeklappen entwickelt. Die ursprünglich beim Durchstarten und Zurückfahren der Klappen auftretende Hecklastigkeit die mit einem Gewicht von 80 lbs aufs Steuerhorn wirkte, wurde dadurch nahezu eliminiert. Die Ruderdrücke bleiben durch die Automatik stets unterhalb von 40 lbs.

Tests bezüglich der neuen Konfiguration (inkl. jeder Menge weitere, meist die Steuerung umfassender Änderungen) wurden im Januar 1962 abgeschlossen. Das Type-Certificate wurde von der FAA am 22 May 1962 ausgestellt. Daraufhin verließ im November 1962 die erste Serienmaschine die Werkshalle in Wichita.

Leider gab es noch jede Menge unbehobener Probleme mit der Lärmentwicklung der Maschine. Damals interessierten sich die Cessna Ingenieure natürlich hauptsächlich für den Lärm innerhalb der Kabine. Es begann ein extrem aufwändiges Messverfahren zur Ortung des Lärms (wo genau entsteht der jeweilige Lärm, wie gelangt er in die Kabine, etc.). Mehrere Konstruktive Änderungen an Motorträger und Leitwerksträger, Front und Heck-Motorhauben konnte teilweise Abhilfe schaffen.

Hier eine Zusammenstellung der (theoretischen) Vorteile im Betrieb eines „Centerline-Thrust-Flugzeuges“ wie der C-336 im Vergleich zu einer herkömmlichen 2-Mot:

Vorgänge im 2-Mot-Cockpit bei Motorausfall (in groben Zügen, kein Anspruch auf Vollständigkeit!):


1. Starke Gierbewegung in Richtung des ausgefallenen Motors. Falls unterhalb der minimalen Kontrollgeschwindigkeit im 1-motorigen Flug (V mc) gleichzeitiges Rollen des Flugzeuges in diese Richtung
2. Ausgleich dieser Bewegungen durch starke Ruderausschläge und evtl. Erhöhung der Geschwindigkeit über Vmc hinaus (Richtgeschwindigkeit im Falle der Fortsetzung des Fluges V yse = Beste 1 motorige Steiggeschwindigkeit)
3. Entscheidung zum Fortsetzen oder Abbrechen des Starts. Evtl. Einziehen des Fahrwerks bei Fortsetzung des Startes
4. Festellen des ausgefallenen Motors nach Prinzip „Dead Foot – Dead Engine“
5. Feathern (Segelstellung) des Propellers des ausgefallenen Motors
6. Austrimmen der Maschine
7. Sichern des abgestellten Motors (nach Checkliste)

Vorgänge im Cockpit der C-336:

1. Sicherstellen dass die Maschine die Vyse erreicht hat, falls der Start fortgesetzt werden soll
2. Feststellen des ausgefallenen Motors
3. Propeller in Segelstellung, Einfahren von Landeklappen
4. Austrimmen des Flugzeugs

Leider konnte in den kommenden Jahren festgestellt werden, dass sich die offenkundig einfachere Bedienung der Centerline Thrust Flugzeuge C-336 und C-337 nicht in signifikant geringeren Unfallzahlen im Vergleich zu herkömmlichen Twins auswirkt. Dies hat vor allem folgende Gründe (man neigt beim Lesen zum Kopfschütteln!):

- Bewusster Versuch des Starts mit nur einem Motor (sieht ja fast wie ne 1 Mot aus…)
- Unbewusster Versuch des Starts mit nur einem Motor (z.B. unbemerkt gebliebener Ausfall des hinteren Motors während des Rollens)
- Bewusstes Abstellen eines Motors in „unpassender“ Situation „zum herzeigen“ des simplen Handlings der Maschine

Leider erwies sich die Maschine im Verkauf als nicht besonders erfolgreich. Mit ihren 173 mph Reisegeschwindigkeit bei hohen 75 % Leistung in 7000 ft erwies sie sich langsamer als eine C-210. Zudem sah die Maschine weder in der Luft (Aufgrund der relativ hoch stehenden Nase im Reiseflug) und am Boden langsam aus.

Weitere Leistungsdaten im Überblick:
Steigleistung mit beiden Motoren: 1.340 Fuß / Minute
Stegleistung nur mit vorderem Motor: 355 Fuß / Minute
Steigleistung nur mit hinterem Motor: 420 Fuß/ Minute
Maximale Flughöhe beide Motoren: 20.400 Fuß
Maximale Flughöhe vorderer Motor: 9.500 Fuß
Maximale Flughöhe hinterer Motor: 10.800 Fuß
Maximale Reichweite, 128 Gallonen Sprit und 75 % Leistung in 7.000 Fuß: 1.040 Statute Miles
Leergewicht je nach Ausstattung: 2.320 lbs
Maximales Abfluggewicht: 3.900 lbs

Nur 195 Stück der Cessna 336 "Skymaster" wurden in Wichita gebaut. Es war also höchste Zeit für eine Weiterentwicklung der 336 – die 337 „Super Skymaster“ stand schon in den Startlöchern und sollte nicht nur eine friedliche Karriere vor sich haben…