Geschichte der Cessna C210 Centurion

von Patrick Kisel

Der Beginn dieser bekannten und leistungsstarken Maschine ist im Jahre 1955 zu suchen - als Untersuchungen für eine C-182 mit Einziehfahrwerk begannen. Diese Überlegungen wurden vom Projektingenieur Harry McCater geleitet.

Nachdem aus verständlichen Gründen eine komplette Neukonstrukion der Maschine mit Auslegung als Tiefdecker nicht möglich war, wurde die Unterbringung des Fahrwerkes wieder einmal zum größten Problem der Anfangszeit. Vor allem der Wunsch nach klaren Linien (auch am Boden) machte eine Vielzahl von Fahrwerksklappen notwendig. Die Entwicklung einer geeigneten Einfahr-/ Ausfahr-, Öffnungs- und Schließungslogik bereitete über längere Zeit hinweg den Ingenieuren und Technikern Kopfzerbrechen. So wies diese Konstruktion erheblich mehr Fahrwerksklappen auf als bei der C-310 oder gar dem T-37 Jet-Trainer.

Weitere Komplexibilität kam durch die notwendige 90 Grad Drehung des Bugfahrwerkes (beim Einfahrvorgang) hinzu. Eine neuartige Auslegung der Maschine als Tiefdecker hätte die Sache viel einfacher gestaltet - aufgrund der hervorragenden Flugeigenschaften der C-182 wollte man aber um jeden Preis auf der Skylane aufbauen.

Für die Entwicklung des Einziehfahrwerks zeichnete der Maschinenbauspezialist Virgil Rhoads nachhaltig verantwortlich. Unter Zuhilfenahme eines Mock-ups wurde die gesamte Technik über viele Monate hinweg entwickelt und geprüft. Der Antrieb des Fahrwerks bestand aus einer direkt vom Motor angetriebenen Hydraulikpumpe. Die nötigen Ventile und Bedienelemente befanden sich in bzw. unter der Mittelkonsole des Instrumentenbrettes. (Wie sich zeigen sollte, strahlten die Hydraulikbauteile, insbesondere die Pumpe sehr viel Wärme in die Kabine ab, was die Ingenieure noch auf Jahre hinaus beschäftigen sollte). Diese Bauteile wurden von der Fa. Airight Inc. unter Jim Ryan entwickelt.

Der erste Prototyp sah ziemlich genau so aus wie eine C-182 mit geradem Leitwerk und eben Einziehfahrwerk. Tatsächlich handelte es sich auch um eine entsprechend modifizierte C-182. Den Antrieb übernahm ein Continental IO-470-B Motor mit einer Leistung von 248 hp bei 2.600 RPM. Die Maschine sollte ein maximales Abfluggewicht von 2.800 lbs erreichen.

Bob Crawshaw führte die Maschine am 25. Februar 1957 durch den Erstflug, Dick Kemper fungierte als Beobachter. Interessant zu wissen, dass die Maschine damals von Cessna als Modell C-185 geführt wurde - die Bezeichnung C-210 kam erst später im August 1958.
Der zweite Prototyp folgte am 18. Dezember 1958 - er verfügte über einen stärkeren IO-470-E mit einer Leistung von 260 hp bei 2.625 RPM.

Der erste Prototyp besaß einen Kettenantrieb des Fahrwerks. Am 31. May 1957 brach diese einfache Fahrradkette bei einem Testflug - woraufhin das rechte Hauptfahrwerk nicht auszufahren war. Glücklicherweise wurde die Maschine nur sehr leicht bei der durch Bob Crawshaw perfekt ausgeführten Landung beschädigt.

Nachdem das Einfahren des Bugfahrwerks zu einem ungewollten Giermoment der Maschine führte (bedingt durch das Drehen des Bugfahrwerks vor dem Einfahren), wurde diese komplizierte Einfahrmethode wieder verworfen. Hierdurch wurde aber eine Umkonstruktion der unteren Cowling nötig - die Maschine erhielt dadurch schon mehr ihr später typisches, bulliges 210 Aussehen.

Zur damaligen Zeit verfügte die C-182 über ein Höhenleitwerk mit variablem Einstellwinkel. Diese Leitwerk wurde zunächst auch bei der C-210 benutzt - bis Tests an der 182 zeigten, dass ein festes Höhenleitwerk mit einem negativen Einstellwinkel von 2 Grad und herkömmlicher Trimmklappenauslegung zu prima Ergebnissen führte. Desweiteren bekam die C-210 das Seitenleitwerk der C-180 - aber nur so lange, bis bei Cessna die Überlegungen in Richtung “gepfeiltes Seitenleitwerk” liefen. Bei der C-210 kam dieses um 48 Grad gepfeilte Leitwerk zum ersten Mal zum Einsatz - obwohl auch bereits Planungen für dessen Einsatz an anderen Modellen liefen. Leider wies dieses erste Leitwerk schlechte Stabilitätswerte auf, was zur Umkonstruktion führte. Das endgültige Leitwerk bekam eine Pfeilung von nur noch 36 Grad und erfüllte alle Erwartungen (wenngleich das Leitwerk wie bei anderen Modellen auch, mehr der Schönheit als der Leistung zu Gute kam!).

Der upgedatete Prototyp wurde am 28. August 1958 wieder von Bob Crawshaw durch den Jungfernflug geführt. Die Maschine bot Platz für 4 Personen und Gepäck. Die vom Motor angetriebene Hydraulikpumpe lieferte auch den nötigen Betriebsdruck für die Landeklappen.

Die weiteren Flugtests ergaben keinerlei Beanstandungen bezüglich Flugverhalten oder Fahrwerk. Störend war jedoch die Tatsache, dass sich bei länger abgestellten Maschinen die Landeklappen durch absinkenden Hydraulikdruck auf 5, 10 oder gar mehr Grad absenkten. Dieses “Problem” wurde erst durch die Einführung von elektrisch angetriebenen Landeklappen im Jahre 1964 behoben.

Die Produktion der C-210 begann mit dem Modelljahr 1960. Der Preis für die 199 mph schnelle und bis zu 20.700 ft hoch fliegende Maschine begann bei 22.450 Dollar.

Das A-Modell aus dem Produktionsjahr 1961 wies eine verbesserte Innenraumgestaltung (mehr Kopffreiheit hinten, verbesserte Vordersitze mit Verstellmöglichkeiten und bessere Polsterung, verbessertes Belüftungssytem), kleine Änderungen in der Auslegung der Cowling sowie eine hochwertigere Avionik mit Autopilot auf. Der Gepäckraum bekam eine große, abschließbare Klappe, die Kabine ein zusätzliches Fenster und die Tankkapazität stieg mit optionalen Langstreckentanks auf 84 Gallonen.

1962 erhielt die B-Version eine um 4 inches breitere Kabine, Cessnas “Omni-Vision” Heckfenster, einen Continental IO-470-S Motor mit nach wie vor 260 hp und eine Auflastung von 2.900 auf 3.000 lbs von Cessna spendiert. Eine verlängerte Kabine brachte mehr Raum für das Fahrwerk - das nun mit größeren 6.00x6 Rädern ausgestattet werden konnte. Diese Änderungen wurden auch bei der Version C im Jahre 1963 beibehalten.

Dem Wunsch nach höherem Komfort und Leistung wurde mit dem D-Modell im Jahre 1964 Rechnung getragen. Für mehr Leistung sorgte ein Continental IO-520-A mit einer Leitung von 285 hp bei 2.700 RPM. Das maximal zulässige Abfluggewicht stieg auf 3.100 lbs - und der Name “Centurion” wurde erstmals propagiert.
Ferner wurden die hydraulischen Landeklappen durch elektisch angetriebene, um 3 ft verlängerte Landeklappen ersetzt. Diese Vergrößerung der Landeklappen bedingte zwangsläufig eine Umkonstruktion der Querruder: Sie wurden kürzer, tiefer und nach dem Friese-Prinzip gestaltet. Die Querruderkräfte nahmen hierdurch ab.
Weitere Änderungen betrafen eine höhere Spannweite des Höhenleitwerks (Ruder mit aerodynamischem Ausgleich), eine Verstärkung des Fahrwerks sowie eine überarbeitete Bremsanlage (zur Bewältigung des höheren Gewichts). Der Komfort wurde durch eine bessere Kabinenheizung, Leselampen für jeden Sitz, weiteren Ablagemöglichkeiten und eine optionale Auslegung als 6-Sitzer und sogar elektrisch verstellbare Vordersitze erhöht.

Im Jahre 1966 kam der C-210 die für die Cessna 320 Skynight entwickelte Turboladertechnik zu Gute. Erstmals angeboten wurde der geregelte Turbolader mit automatischem Wastegate im Modelljahr 1966: Cessna C-T210F.
Die höheren Anforderungen an die Bedienung der mit Turbolader ausgestatteten Maschine wurden immerhin in 5 zusätzlichen Seiten des Owner Manuals erwähnt (z.B. die unumgängliche Abkühlzeit des Turboladers vor dem Abstellen des Motors).

Von diesem damals am schnellsten und höchsten fliegenden (Testflüge führten bis in Höhen von 35.000 ft), einmotorigen Flugzeug wurden im Jahr 1966 immerhin 197 Stück verkauft. Der Listenpreis betrug 29.075 Dollar.

In der Hoffnung der Maschine noch höhrere Geschwindigkeiten zu ermöglichen, begannen Überlegungen zur Implementierung eines neuen Flügels ohne Streben und mit Laminarprofil. Dieser Flügel wies eine maximale Dicke vonn 40 % auf. Gewählt wurde ein modifiziertes 64A215 Profil. Der schwerere, freitragende Flügel bedingte eine sehr massiv ausgelegte Brückenkonstruktion über dem Kabinenhimmel - die vom Gewicht her einem entsprechenden Stück Eisenbahnschiene entsprach. Zur Verbesserung der Sicht wurde der Flügel um 4,5 inches nach hinten gesetzt. Um der daraus resultierenden Buglastigkeit zu begegnen, wurde die Fläche des Höhenleitwerks u 6 ft ³ vergrößert. Kurz zuvor wurden an einer C-182 Flugtests mit einem Pendelhöhenruder durchgeführt (das, wie wir wissen, später nur bei der C-177 zum Einsatz kommen sollte).
Das Abfluggewicht dieser neuen Version C-210G stieg auf 3.400 lbs. 1967 wurden 118 bzw. 110 non-Turbo bzw. Turbo-Flugzeuge ausgeliefert. Die Listenpreise betrugen zwischen 27.975 und 31.975 Dollar.

Nachdem bei den Flugtests mit Pendelhöhenruder das Problem von großen Ruderdrücken bei vertrimmten Flugzuständen sowie das Problem nicht ausreichender Höhenruderwirkung bei Landungen mit sehr weit hinten liegendem Schwerpunktbereich gelöst werden konnten, entschied man sich bei der C-210 gegen das Pendelhöhenruder und für eine weiter vergrößerte, konventionelle Höhenruderauslegung.

In den nächsten Jahren folgten ständig Verbesserungen beim Kabinenkomfort, aber auch kleinere “Versuche” mit veränderten Einstell- und V-Stellungswinkeln der Tragflächen.

Hervorragend erwiesen sich bereits damals die “langen Beine” der C-210: Flüge über Distanzen von 1.215 NM konnten bei einer geplanten Geschwindigkeit von 220 mph in 23.000 ft problemlos durchgeführt werden.

Die Version K im Jahre 1970 erhielt wieder größere Änderungen: 3 ft lange hintere Seitenfenster, geänderte Sitze, ein kleineres Fahrwerkssystem (das den Kabinenraum hinten um stattliche 25 % vergrößerte) sowie überarbeitete Hauptfahrwerksbeine mit innen liegenden Bremsleitungen, einer vergrößerten Gepäckraumklappe und einem erhöhtem maximalen Abfluggewicht (auf 3.800 lbs). Hiermit wurde die Centurion zu einem echten 6-Sitzer. Die non-Turbo-Version erhielt mit einer leistungsstärkeren Motorvariante (300 hp) eine kleine Leistungsspritze die nur für den Start mit einer Drehzahl von 2.850 RPM nutzbar war.

Über die nächsten Jahre folgte Produktpflege durch geänderte Innenraumdetails, der Anordnung der Landescheinwerfer in der Cowling, einer elektrisch angetriebenen Hydraulikpumpe und einem auf 28 Volt gebrachtem Bordnetz (1972). Zwischen 1974 bis 1976 betrafen die wichtigsten Änderungen ein optional erhältliches “Hot-Windshield-Plate”, eine standardisierte Instrumentenanordnung, eine abnehmbare untere, rechte Cowling (nur Turbo-Version) und ein verbessertes Heizungs- und Belüftungssystem. Zudem kam ein 3-Blatt-Prop zum Einsatz.

1977 bekam der turbogeladene TSIO-520-R des Modells C-T210M eine Leistungssteigerung auf 310 hp die ohne zeitliche Begrenzung abgerufen werden konnten.

1979 wurden im Zuge eines Programms zur Kostensenkung die Hauptfahrwerksklappen abgeschafft. Die Klappen des Bugfahrwerks blieben erhalten (sie blieben auch am Boden geöffnet). Als Nebeneffekt stieg die maximal zulässige Geschwindigkeit zum Ausfahren des Fahrwerks auf 165 KTS. 1979 erreichte die C-T210N eine Flughöhe von 27.000 ft und eine Höchstgeschwindigkeit von 235 mph in 17.000 Fuss. Bis zum N-Modell im Jahre 1985 verfügte die C-210 über ein höheres Klappenlimit von 160 KTS (10 Grad) und eine Zulassung für Flüge in bekannte Vereisungsbedingungen (falls ausgerüstet mit den entsprechenden Enteisungseinrichtungen). Tests des Deice-Equipments begannen bereits in den frühen 70´ern.

Bereits 1976 plante Cessna eine druckbelüftete Version der Centurion. Dies fußten auf den Erfahrungen mit der druckbelüfteten C-P337 aus dem Jahr 1973. Den Erstflug der C-P210N führte Lynn Ikerd am 1. Oktober 1976 durch. Die nötige Luft zur Bedruckung der Kabine stammte von einem extra großen Turbolader des Continental TSIO-520-P Motors mit einer Startleistung von 310 hp und einer möglichen Dauerleistung von 285 hp. Die Kabine war für eine Kabinenhöhe von 12.000 ft bis zu einer maximalen Flughöhe von 23.000 ft ausgelegt.
Probleme mit dem Turbolader setzten sich auch bei den Serienmaschinen fort, was zu einem allgemeinen Austausch führte.
Wie bei einigen C-177RG´s konnten Störklappen, wie man sie von Passagierflugzeugen her kennt, installiert wurden. Sie machten den Abstieg aus großer Höhe einfacher ohne den Motor zur sehr auskühlen zu lassen. Leider bekamen diese "Hinged-Plate-Spoilers" später keine Zulassung mehr - so dass inzwischen nur noch die scherenartig ein- und ausfahrenden Störklappen wie man sie von Mooney und anderen Flugzeugen her kennt, zum Einbau zugelassen wurden.

Bis zur Version R im Jahre 1985 - bei der ein 325 hp starker TSIO-520-CE bei der C-T210F und der C-P210R zum Einsatz kam, stieg die maximale Fluggeschwindigkeit in 23.000 ft auf hervorragende 258 mph (224 KTAS). Der Listenpreis der C-P210R war bis zum Jahre 1986 auf 235.200 Dollar geklettert - der Demonstrator von Cessna (mit voller Ausstattung) war für 328.600 Dollar zu haben - was aufzeigt, wie breitgefächert die Aufpreisliste war!

Die nicht druckbelüftete C-T210R gab es 1986 zum Preis von 165.750 Dollar.

Die komplexe aber leistungsstarke C-210 stellt auch heute noch eine der besten einmotorigen Flugzeuge für den Instrumentenflug dar. Je nach Version schneller als die Beechcraft Bonanza und - falls gewünscht mit Druckkabine und vollständigen Enteisungseinrichtungen ausgestattet, bietet sie sich auch für härtere Instrumentenflüge an - freilich mit dem Nachteil den sie mit Bonanza, Malibu & Co teilt: Nur einen Motor zu haben!