Geschichte der Cessna C172 Skyhawk

von Patrick Kisel

Begonnen hat alles im Jahre 1954: Die hervorragenden Flugeigenschaften der C-180 sorgten für die Notwendigkeit einer Produktpflege bei der Cessna 170. Die C-170B wurde mit einem rechteckigeren Leitwerk ausgestattet um die Stabilität zu vergrößern. Zusammen mit der Installation eines 155 hp starken Continental O-300 (der jedoch unter Probleme bei der Ölkühlung litt) ergab dies die sehr attraktive C-170C. Als die Flugversuche im Januar 1955 begannen, war allen Beteiligten klar, dass es für das nächste Jahr noch keine 3-Bein-Version der C-170 geben würde – auch, wenn Obed Wells (Projektingenieru der C-170/ C-180) bereits ein Mock up der Konstruktion herstellte….

Die Probleme mit dem neuen Leitwerk waren überraschend groß – so dass der Aerodynamiker Harry Clements und der Ingenieur Ralpf Price das Team unterstützen und das neue „square tail“ für die C-172 optimieren mussten.

Cessna hatte zu dieser Zeit bereits einige Erfahrung mit Dreibeinfahrwerken – vora allem an der C-310 und der T-37. Allerdings gab es große Vorbehalte gegen diese Fahrwerksauslegungen vor allem in Bezug auf Roll- und Landeverhalten auf weichem Untergrund und bei Seitenwind. Um mehr Erfahrungen mit Dreibenfahrwerken in Leichtflugzeugen zu gewinnen, charterte Cessna vom 28. September ´53 bis in den Oktober ´53 hinein eine Piper Tri-Pacer – deren große Verkaufserfolge von der Cessna Geschäftsleitung besorgt registrierte wurden.

Met-Co-Aire
– eine Firma für Flugzeugmodifikationen in Fullerton, Kalifornien, entwickelte ein Dreibenfahrwerk für die C-170 – und hofften auf gewinnbringende Verkäufe der Konstruktion an Cessna. Leider (für Met-Co-Aire) beauftragte das Management Ende März oder Anfang April 1955 die Entwicklungsabteilung von Cessna offiziell mit der Entwicklung einer Dreibenversion der C-170C (deren geplante Produktion sofort eingestellt wurde).

Den Prototyp der C-172 brachte wieder einmal Testpilot Fritz Feutz am 12. Juni 1955 in die Luft. Die Maschine trug die Registrierung N41768.

Das Fahrwerk war zunächst das größte Problem. Mit dem Bestreben den Schwerpunkt des Flugzeugs so weit wie möglich zu senken, wurde das Haupt- und Bugfahrwerk so niedrig wie möglich ausgeführt – das Bugfahrwerk mit einem Öl-Stickstoffdämpfer, das Hauptfahrwerk mit den bekannten Stahlschwingen und der größten möglichen Spurbreite versehen. Überlegungen das Bugfahrwerk weit vor dem Brandschott zu befestigen, wurden wegen des zu großen konstruktiven Aufwandes verworfen.

Unter den Testpiloten gab es weiterhin große Vorbehalte… Allein der Einstieg war für große Piloten sehr ungewohnt – und dann diese seltsame Typennummer, mit einer 2 statt mit einer 0 oder 5 endend! „Einfach unglaublich!!“

Als Ausgleich für die durch das Bugfahrwerk herbeigeführte laterale Instabilität musste das Seitenleitwerk (und –Ruder) vergrößert werden (was späteren Schwimmervarianten zum Vorteil gereichen sollte…). Auch das Höhenleitwerk musste vergrößert werden – vor allem in Bezug auf die Problematik eines evtl. in weichen Untergrund einsinkenden Bugrades. Schließlich wirkte ein 600 lbs Schub-Vektor nur einige Inches über diesem Fahrwerk – die Gefahr eines Überschlags war also nicht weg zu diskutieren!

Zu dieser Zeit glaubte keiner unter den Konstrukteuren und Testpiloten, dass dieser „hässlichen“ Maschine, die so viel anders war als ihre eleganten Vorgänger, ein größerer Erfolg beschieden sei. Tatsächlich erwirkte das Verkaufsteam, dass die Testflüge nicht in Wichita durchgeführt wurden: Die Gefahr von Gerüchten über ein neues Flugzeug hätten die gut laufenden Verkäufe der C-170 negativ beeinflusst – eine Beeinflussung zudem durch ein Flugzeug, dem kein großer Erfolg zugeschrieben wurde!

Also bekam das neue Modell „top secret-Status“! Ein verlassenes Feld 50 Meilen westlich von Wichita in der Nähe von Kingman, Kansas wurde auserwählt um das neue Flugzeug in einer gut mit Bäumen getarnten alten Scheuen zu verstecken. Der erste Flug von dort fand am frühen Morgen eines Sonntags statt – mit Obed Wells in einer C-170 als Begleitflugzeug. Jeder war sich sicher, dass die Geheimhaltung gelungen sei! Jahre später, so erinnert sich Fritz Feutz, zeigte ihm Smitty Smith, Chef der Flugerprobungsabteilung von Piper, ein Foto dieses ersten Fluges!! So geheim war es also doch nicht….

Über die nächsten Wochen lagen die Hauptprobleme in der Abstimmung von Seitenruder und Bugradsteuerung. Hier wurde das heute bekannte Prinzip von einer indirekten Ansteuerung und Federzügen (im Gegensatz zur direkten Anlenkung bei der Piper Tri Pacer) entwickelt (Ableitung vom System der C-310) und zur Einsatzreife gebracht. Bugradflattern gehörte bis zur Adaption des Shimmy-Dämpfers der C-310 ebenfalls zu den alltäglichen Problemen der Testcrew in ihrer einsamen Scheune.

Eines Tages kam sogar Dwane Wallace mit einer C-195 auf zu einem unangemeldeten Besuch vorbei – flog eine Runde zusammen mit Fritz Feutz in der C-172 und verschwand dann wieder mit den Worten „Ich bin mir sicher, dass Del und Du (Fritz Feutz) alle Probleme lösen werden.“

Vom Erstflug am 12. Juni bis zur Ausstellung des ersten Type Inspection Reports der FAA am 26. Juli 1955 notierte Fritz Feutz 40 Flugstunden in 45 Tagen. Die Maschine war jedoch noch nicht völlig ausgereift – und es kam auf dem rauhen „Geheim-Flugplatz“ zu häufigen Bodenberührungen des Propellers. Leider war man schon so weit hinter dem engen Zeitplan, dass keine Neukonstruktion mehr möglich war. Man ging einfach optimistisch davon aus, dass die Maschinen hauptsächlich von Flugplätzen mit befestigten Landebahnen aus operieren würden.

Es folgte ein beschleunigtes Erprobungsprogramm mit geplanten 1.000 Starts- und Landungen sowie diversen kleinen Änderungen an der Maschine. Problematisch erwies sich die nicht ausreichend starke Struktur des Brandschotts, Probleme mit der Ausrichtung des Hauptfahrwerks und andere Dinge – die unbedingt schnellstens behoben werden mussten. Tatsächlich umfasste das beschleunigte Testprogramm 2.318 Starts und Landungen – gleichbedeutend mit 500 bis 1.000 Betriebsstunden im „normalen“ Flugzeugleben. Die Cessna Crew schaffte diese hohe Anzahl an Starts und Landungen in nur 157 Stunden und 45 Minuten!

Cessna ging davon aus, dass sich Käufer über folgende Punkte beschweren würden:

- Durch Schlagen des Bugraddämpfer verursachter Lärm (auf rauem Untergrund)
- Probleme mit Bugradflattern
- Klappern der Bremsen
- Starker Verschleiss von Bremsen und Reifen.

Ein Abfluggewicht von 2.200 lbs und eine Motorleistung von 145 hp wurden von der C-170B übernommen. Der zusätzliche Widerstand des Bugfahrwerkes kostete 5 mph – und brachte die C-172 auf eine Geschwindigkeit von 135 mph – die Dienstgipfelhöhe sank von 15.500 auf nur noch 14.300 ft.

Dieses erste Modell war allen Unkrufen zum Trotz mit 1.178 im Jahre 1956 ausgelieferten Exemplaren – zu einem Verkaufspreis von 8.750 Dollar.

 

Zwischen Dezember 1958 und Februar 1959 wurde mit der C-172 ein neuer Rekord im Dauerflug aufgestellt – unglaubliche 64 Tage, 22 Stunden und 19 Minuten. Wie die Jungs das geschafft haben entzieht sich allerdings meiner Kenntnis ;-)

Das A-Modell brachte im Jahr 1960 eine leichte Pfeilung des Seitenleitwerks – wie bei der C-150 mit einem leichten Verlust der Seitenruderwirkung erkauft. Im Jahr 1961 bekam die B-Version ein um 3 inches gekürztes Hauptfahrwerk, der Motorträger wurde um 3 inches verlängert (um die Bodenfreiheit des Propellers zu vergrößern) und eine Gepäckraumklappe eingefügt. Mit diesen Änderungen wurde das hässliche Entlein im Portfolio von Cessna noch attraktiver. Die Zahl der Verkäufe stieg stetig.

1961 wurde eine Schwimmerversion der A-Version angeboten, die einen Ölkühler erhielt. Das Abfluggewicht der Schwimmerversion wurde allerdings auch auf nur 2.106 lbs verringert – was sie quasi zu einem 2-Sitzer degradierte. Interessanter Weise wurde diese Variante bei Flugschulen in hochgelegenen oder heißen Gegenden sehr beliebt – als leicht beladene 2-Sitzer-Version eines 4-sitzigen Entwurfs und damit mit sehr guten Flugleistungen.

Im Gegensatz zu der von 145 hp im Jahre 56 auf 160 hp im Jahr 1977 gesteigerten Motorleistung, vergrößerte sich das Abfluggewicht nur relativ gering von 2.250 auf 2.300 lbs im Jahr 1963 – und später auf 2.400 lbs im Jahr 1983.

1963 wurde die von Cessna „Omni Vision Window“ genannte Fensteranordnung mit Heckfenster mit dem Modell D angeboten. Dazu kam ein Höhenleitwerk mi 8 inches mehr Spannweite, einteiliger Windschutzscheibe umgestalteten Seitenfenstern (hinten) und einer Hutablage im Gepäckraum. Im Gepäckraum konnte überdies ein Kindersitz installiert werden – in diesem Fall sollte die Gepäckraumklappe aber besser von außen abgeschlossen werden! Ebenfalls 1963 knackte die C-172 die Zahl von 7.500 verkauften Flugzeugen – und Cessna Frankreich in Reims nahm die Produktion auf.

Nachdem Cessna 1965 versuchte die Cessna 172 durch die Cessna 177 zu ersetzen (was wie wir wissen scheiterte), saß Cessna auf einem Berg von 4.000 Lycoming 0-320-E2D Motoren mit 150 hp (die sich für die C-177 als zu schwach erwiesen). Daher war die Integration dieses Motors in die Skyhawk weit oben auf der Wunschliste des Cessna Managements. Die I-Version beinhaltete neben den bei den Versionen E, F, G und H eingeführten Änderungen diesen neuen Motor. Er ersetzte den wartungsaufwändigen Continental O-300 6-Zylinder Motor (dessen 4-Zylinder Variante O-200 viele Cessna 150 und 152 antreibt).

 

Die 210 hp Version der C-172 wurde von Cessna in Wichita 1962 entwickelt - ab dem 4. Oktober 1963 begannen die Testflüge. Nach der Zulassung durch die FAA wurde die Maschine, die über einen Constant Speed Propeller verfügte, exklusiv nur bei Reims in Frankreich gebaut - von 1971 bis 1981. Sie trug die Bezeichnungen R172E bis R172K. Das K-Modell verfügte über eine Drehzahlbegrenzung auf 2600 RPM - was den Lärm reduzierte - damit aber auch die Motorleistung auf 195 hp begrenzte. Das aus ihr entwickelte Modell R172K Hawk XP (XP für Extra Performance) durchlief den Erstflug am 29. Januar 1976. Die Motorisierung wurde auf einen 195 hp starken Contiental IO-360-K geändert, der seine volle Leistung bei 2.600 RPM erreichte, die er an einen 76 inch McCauley Constant Speed Prop weitergab.

Die Rockets machen ihrem Namen bei Start und Steigflug durchaus alle Ehre - gleiches gilt auch für die Hawks. Allerdings ist der Treibstoffverbrauch nicht zu verachten... im Einsatz auf Schwimmern oder unter hohen und heißen Bedingungen allerdings prima Flugzeuge!

Wie wir schon gelesen haben, kam es durch den Einsatz der großen Landeklappen bei Stellungen von 40 Grad immer wieder zu einem unkontrollierten „Herunterfallen“ der Flugzeugnase. Von diesem Problem blieb auch die Skywawk nicht verschont. Vor allem bei Slips trat dieses Flugverhalten teilweise auf. Hierin begründet sich der Hinweis im Flughandbuch (und per Aufkleber auf dem Instrumentenbrett) Seitengleitflüge mit ausgefahrenen Klappen zu vermeiden. In der Tat ist dieses bei bestimmten Slip-Winkeln und Geschwindigkeiten auftretende Verhalten für einen geübten, aufmerksamen Piloten gut beherrschbar. Ein leichtes Herausnehmen aus dem Slip beendet das Nicken (das gerne von Leitwerksschütteln begleitet wird – aufgrund der sich ablösenden Strömungen durch den „Downwash“ der Landeklappen) sofort. Für einen Flugschüler oder ungeübten Piloten in Bodennähe kann dieses Flugverhalten jedoch gefährlich werden.

Die Limitierung der Landeklappenstellung auf 30 Grad sowie die Verlängerung der Rückenfinne ab der Version L im Jahr 1972 löste dieses Problem schließlich. Vor allem bei den Varianten P und C-R172 ist hier nur noch ein bei manchen Slipwinkeln und Geschwindigkeiten auftretendes leichtes Pumpen festzustellen. Zusätzlich sorgte die verlängerte Rückenfinne für ein besseres Trudelverhalten der Maschine. Eine neue Nasenkante des Flügels wurde mit der Variante M im Jahr 1973 auf Kundenwunsch hin eingeführt. Entwickelt wurde diese von der Firma Robertson in Bellevue, Washington. Die Auswirkungen dieser neuen Nasenkante waren eine leicht verringerte Überziehgeschwindigkeit (durch höheren möglichen Anstellwinkel) sowie etwas mehr Auftrieb. Allerdings beeinträchtigte die neue Nasenkante wiederum das Trudelverhalten. Dieser Nachteil wurde jedoch durch die lange Rückenfinne mehr als ausgeglichen. Dieser „Chamber-Lift-Flügel“ sorgte jedoch nicht für messbar bessere Start- oder Landeleistungen. Wäre es nach den Cessna Ingenieuren gegangen, wäre die Änderung erst gar nicht eingeführt worden.


 Bis zur vorläufigen Einstellung der Produktion im Jahre 1985 (P-Version) wurden 35.773 Flugzeuge gebaut. Ableitungen des Grundmodells ist die mit einem 180 hp Lycoming O-360-A4N ausgestattete C-172Q „Cutlass“ mit festem Fahrwerk, die C-172 RG (O-360-F1A6 mit 180 hp und Constant Speed Prop) mit Einziehfahrwerk und einem auf 2.650 lbs gesteigertem maximalen Abfluggewicht.
Ferner wären da noch die 175 hp starke R172 Hawk XP mit festem Fahrwerk (und Constant Speed Prop), die man auch teilweise mit Motorisierungen bis 190 hp wieder findet.

Ab dem Jahr 1996 wurde die Produktion der legendären Skyhawk mit dem Modell R, angetrieben von einem 160 hp leistenden IO-360-L2A Motor wieder aufgenommen. Das Abfluggewicht beträgt nun 2.450 lbs. Verbesserungen zu früheren Varianten sind eine besser geräuschgedämmte Kabine, ein verbessertes Belüftungssystem sowie Sitze die im Crashfall auf bis zu 26 g widerstehen. Die Landescheinwerfer wanderten von ihrer unbeliebten Position in der Motorhaube zurück in den linken Flügel.

Ab dem Jahr 1998 war die stärkere Version S verfügbar. Sie wird vom gleichen Lycoming Motor wie die Variante R angetrieben – aufgrund einer höheren Drehzahl von bis zu 2.700 RPM leistet dieser jedoch bis zu 180 hp. So konnte die maximale Abflugmasse auf 2.550 lbs gesteigert werden.

Auf der zivilen Basis der Varianten F, G, H und K aufbauend, bestellten die US Air Force sowie die Luftstreitkräfte von Peru 756 Flugzeuge, genannt T-41 A (Beiname „Mescalero“). Diese Maschinen befinden sich inzwischen im Einsatz bei Luftstreitkräften auf der ganzen Welt – von Argentinien bis Thailand.

Cessna 172 – sie setzte und setzt den Standard für alle anderen Flugzeuge in der Klasse der einmotorigen Schulungs- und Reisemaschinen. Sie ist nicht schön, sie ist nicht schnell aber sie ist erfolgreich wie keine Zweite. Wir werden sie auch noch in 50 Jahren und mehr am Himmel über uns sehen – und noch viele Generationen von Piloten werden sich ihr Leben lang an ihre ersten Flugstunden auf diesem unverwüstlichen und sicheren Arbeitstier erinnern. Ich selbst blicke zurück auf viele hundert Flugstunden die ich in den verschiedensten Varianten in Europa und den USA verbringen durfte. Fliegt weiterhin so schön Ihr Skyhawks – keine kann Euch so schnell das Wasser reichen!